Nachdem die Woge der Begeisterung über den »Toronto-Segen« nicht einmal zwei Jahre angehalten hat und heute — zumindest in Deutschland — kaum noch Beachtung findet, rollt bereits eine neue Welle auf Europa zu, die wahrscheinlich eine größere Breitenwirkung haben wird als der »Toronto-Segen«.
In der evangelikalen Zeitschrift »Aufatmen« wurde diese Bewegung als »eine der gegenwärtig mächtigsten Erneuerungsbewegungen« bezeichnet, »die spirituell als das Interessanteste seit den JesusPeople eingeschätzt wird«(1). Obwohl die »Promise Keepers« (»Versprechens-Halter«) erst in den letzten Monaten in Deutschland bekannt wurden, ist diese Bewegung bereits über 6 Jahre alt und hat nach eigenen Angaben bereits 2 Millionen Männer erreichte(2). Ch. Rust, der Initiator der PK in Deutschland, bezeichnet sie als eine »konfessionsübergreifende Gebets- und Bußbewegung, die auf persönlichen Beziehungen basiert«(3).
Die Anfänge
Interessant ist, daß diese »Männerbewegung« — ebenso wie der »Toronto-Segen« — aus den von John Wimber gegründeten »Vineyard«-Gemeinden hervorgegangen ist. Bill McCartney (Denver) aus der Vineyard-Gemeinde in Colorado ist Vater dieser Bewegung. Der ehemalige Football-Trainer fuhr 1990 mit einem Freund zu einem Treffen christlicher Sportler. Unterwegs unterhielten sie sich über die geistliche Reife bzw. Unreife bei Männern, wobei McCartney der Vers aus Sprüche 27,17 durch den Kopf ging: »Eisen wird scharf durch Eisen, und ein Mann schärft das Angesicht des anderen.« In ihm reifte die Sehnsucht, ein riesiges Stadion mit Männern gefüllt zu sehen, die nicht dem Football oder irgendwelchen Sportidolen zujubelten, sondern Christus ehren und verherrlichen wollten. Er wünschte sich eine Erweckung unter Männern, die Ehen, Familien, Gemeinden und die Gesellschaft verändern sollte. Zuerst waren es 72 Männer in Denver, die sich von der Begeisterung McCartneys anstecken ließen und bald startete eine erste große Konferenz mit etwa 4.200 Teilnehmern unter dem Hauptthema »Persönliche Integrität«.
Die Verbreitung
McCartney, der offensichtlich das Charisma hat, Männer zu motivieren und zu begeistern, stieß auf ein sehr großes Echo bei den Männern, und so konnte 1992 ein nationales Treffen der PK in einem Stadion mit 22.000 und ein Jahr später mit 52.000 Männern durchgeführt werden. 1994 wurden regionale Treffen mit ca. 280.000 und 1995 mit etwa 727.000 Männern durchgeführt. Für 1997 haben die Leiter der PK die Vision von einem »prayer meeting« mit ca. einer Million Männern in Washington D.C. Präsident ist zur Zeit Randy Phillips, es gibt etwa 400 vollzeitige Mitarbeiter und man verfügte 1996 über ein Budget von 115 Mio. Dollar. Inzwischen gibt es nationale Zweige in Kanada, Australien, Neuseeland, in 15 lateinamerikanischen Staaten und nun auch in Europa. Laut Gordon England, dem Direktor der Evangelisationsabteilung der PK, setzen sich die Mitglieder zu 25% aus Charismatikern und zu 75% aus »Konservativen aller Konfessionen« zusammen. Redner auf den PK-Konferenzen sind u.a. folgende Männer, die auch in Deutschland durch ihre Arbeit oder Buchveröffentlichungen bekannt sind: Howard Henricks, Jack Hayford, Ed Cole, Bill Bright, David Bryant, Charles Colson, Larry Crabb, Franklin Graham, John Dawson, Gary Smalley, Bill Hybels, Luis Palau, James Dobson und Haddon Robinson. Diese Namen machen das breite Spektrum der Charisma tiker und Evangelikalen deutlich, die hier mitarbeiten. Professoren des Dallas Theological Seminary sind hier ebenso vertreten wie leitende Mitarbeiter von »Jugend mit einer Mission« oder anderen charismatischen Gruppen.
Die sieben Versprechen
Ein PK ist ein Mann, der folgende Versprechen gibt: 1. Ein Promise Keeper ehrt Jesus Christus durch Anbetung, Gebet und Gehorsam gegenüber seinem Wort. 2. Ein Promise Keeper strebt nach einer lebendigen Beziehung mit einigen anderen Männern, denn ein Mann braucht Brüder, die ihm helfen, sein Versprechen zu halten. 3. Ein Promise Keeper praktiziert geistliche, moralische, ethische und sexuelle Reinheit. 4. Ein Promise Keeper setzt sich für eine starke Ehe und Familie ein, der er Liebe, Schutz und biblische Werte vermittelt. 5. Ein Promise Keeper unterstützt den Auftrag der Gemeinde, indem er seinen Pastor ehrt und für ihn betet und seine Zeit, Kraft und Gaben investiert. 6. Ein Promise Keeper überwindet die Schranken von Rassen und Denominationen, um die Kraft biblischer Einheit zu zeigen. 7. Ein Promise Keeper beeinflußt die Welt durch Gehorsam gegenüber dem großen Gebot (Mk. 12,30-31) und dem großen Auftrag (Mt. 28,19-20).
Die Bewegung in Deutschland
Am 14.6.1996 fand in Hannover ein erstes Informations-Treffen mit »50 Repräsentanten protestantischer Gruppen« statt. Initiator war H. Ch. Rust, der ehemalige Pastor der Baptisten-Gemeinde in Hannover und langjährige Vorsitzende des Arbeitskreises »Charisma und Gemeinde«, jetzt Leiter der »Heimatmission« der Ev. Freik. Gemeinden mit Sitz in Bad Homburg. Dort befindet sich zur Zeit auch das Koordinierungsbüro der PK. Als Mitinitiator wurde der Leiter der Männerarbeit innerhalb der Basileia-Vineyard Gemeinde in Bern, Wilf Gasser, genannt. Weitere Teilnehmer dieser ersten Konferenz waren Vertreter des Bibellesebundes (Marienheide), der Initiative »Neues Leben für Familien« (Lüdenscheid), der »Geistlichen Gemeinde-Erneuerung in der Ev. Kirche«, »Campus für Christus« (Zürich), »Jugend mit einer Mission« (Hamburg), sowie verschiedener Gruppen der Männerarbeit innerhalb der EKD. Ohne Gegenstimmen wurde beschlossen, daß die PK in Deutschland und der Schweiz Fuß fassen sollten. Leitungsgremiums am 17.9.1996 gab der Koordinator H. Ch. Rust bekannt, daß 200 Repräsentanten in nächster Zeit eine PKGruppe ins Leben rufen wollen. Für 1997 seien in Deutschland zehn und in der Schweiz sechs Männertage geplant, auf denen das Anliegen der PK bekannt gemacht werden soll.(4)
Der Versuch einer Beurteilung
Interessant ist, daß diese Männerbewegung zu einem Zeitpunkt populär wird, wo auch in konservativen Freikirchen und Gemeinschaften über die Aufgaben der Frau in der Gemeinde nachgedacht wird und man in den meisten Fällen dem Trend der Gesellschaft und Volkskirchen folgt und Frauen in Leitungsfunktionen (Altestin, Bischöfin, Pastorin usw.) einsetzt. Tatsache ist auch, daß in den meisten evangelikalen Gemeinschaften ein Übergewicht an Frauen festzustellen ist und daß sich in unseren Evangelisationen mehr Frauen als Männer bekehren. Aber nicht nur quantitativ dominieren vielerorts die Frauen, oft hat man auch den Eindruck, daß sie mehr geistliches Interesse und Aktivität als die Männer an den Tag legen.
Ist daher unsere Zeit, in der das Wort eines Mannes nicht mehr viel Gewicht hat, nicht reif für eine Männerbewegung, die sich zur Gottesfurcht, Integrität, Verbindlichkeit und Führung in Ehe, Familie und Gesellschaft verpflichtet?
Auch wenn man sich zunächst einmal von Herzen über jeden Mann freuen kann, der sich seiner Verantwortung in Familie, Gemeinde und Gesellschaft bewußt wird und sich zum Gehorsam Gottes Wort gegenüber verpflichtet, gibt es einige Punkte in dieser Bewegung, die uns zu Vorsicht und Wachsamkeit aufrufen.
1. In den Händen von Männern der Charismatischen Bewegung
Wie bereits erwähnt wurden die PK sowohl in den USA, wie auch in Deutschland und der Schweiz gegründet und geleitet von Männern, die das Anliegen der Charismatischen Bewegung und »Dritten Welle« vertreten. Während in den USA Pastoren der Vineyard-Bewegung und Männer wie Jack Hayford, John Dawson usw. mitarbeiten, sind auch die Initiatoren im deutschsprachigen Raum zum größten Teil als führende und einflußreiche Charismatiker bekannt.
2. Einheit auf Kosten der Wahrheit
Der bekannte Slogan der Charismatiker »Dogmen trennen — Liebe eint« wird auch in dieser Bewegung deutlich. Sechs von den sieben Versprechen der PK sollten für jeden Christen, der die Bibel ernst nimmt, selbstverständlich sein. Mit der Nachfolge Jesu ist Gehorsam, Treue, Integrität, Hingabe und Verbindlichkeit untrennbar verbunden. Versprechen Nr. 6 allerdings macht eine typische Tendenz aller Charismatiker deutlich: Überwindung der Schranken von Denominationen, um die Kraft biblischer Einheit zu zeigen. Wenn es wirklich um biblische Einheit gehen würde, könnte man nur dankbar sein, aber die Arbeitsweise der PK zeigt, daß eine unbiblische Toleranz Grundlage dieser angestrebten Einheit ist: - In den USA können Katholiken und auch Mormonen mitarbeiten, wenn sie die Versprechen ablegen. - Es wird empfohlen, unter PK folgende Themen zu vermeiden: Ewige Sicherheit, Geistesgaben, Taufe, Entrückung, Sakramente und Riten. - »Lehrmäßige Unterschiede hindern die Einheit«, — diese Feststellung eines führenden PK sollte eigentlich dazu führen, daß man die Bibel intensiv studiert. Wenn dabei aber wichtige Themen ausgeklammert werden, um Einheit zu bewahren, begibt man sich auf einen gefährlichen Weg. Nachfolge und Jüngerschaft sind untrennbar mit biblischer Lehre verbunden.
3. Ein bedenklicher Einfluß der Psychologie
Auf den Treffen der PK werden Begriffe wie »Annahme«, »Erfahrung«, »Gefühl«, »Selbstliebe« usw. betont. »Ich bin nicht hier, um dich zu ändern, du bist nicht hier, um mich zu ändern. Völlige Annahme schafft einen Ort, wo Männer sie selbst sein können.« Eine solche Haltung steht im auffallenden Gegensatz zu dem oben zitierten Vers aus Sprüche 27,17, der eigentlich Motor dieser Bewegung sein sollte, denn mit dieser weichen, unmännlichen Toleranz werden keine Ecken und Kanten im Charakter eines Mannes geschliffen.
Es entspricht sicher nicht der Wahrheit, wenn Kritiker den PK eine Toleranz oder gar Akzeptanz Homosexuellen gegenüber vorwerfen. Wohl aber muß man fragen, was die PK unter »Annahme« Homosexuellen und anderen gegenüber verstehen.
Wahrscheinlich werden die PK in Deutschland anders als in den USA auftreten. Der Handel mit T-Shirts (»Break Down the Walls«, »My Daddy is a Promise Keeper«), Kappen und anderen Utensilien wird sich wahrscheinlich in Grenzen halten und Sprechchöre in von PK gefüllten Fußballstadien sind in unseren Breitengraden wohl kaum zu erwarten. Allerdings ist der evangelikale Boden für diese Bewegung bestens vorbereitet: Auf Allianzebene wird jetzt offiziell die Zusammenarbeit mit Pfingstgemeinden und Charisma tikern empfohlen und praktiziert. So arbeiten z.B. in dem inzwischen weit verbreiteten Magazin »Aufatmen« (Bundes-Verlag) Männer der Gemeinschaftsbewegung und Allianz wie Karl Albietz, Ulrich Betz und Peter Strauch mit Charismatikern wie H. Ch. Rust, Roland Werner, Wolfram Kopfermann, Diethelm Strauch, Marion Warrington usw. in einem Redaktionsteam zusammen, was vor wenigen Jahren undenkbar gewesen wäre. Da zudem die PK nicht mit einem auf den ersten Blick typisch charismatischen Anliegen auftreten, kann man davon ausgehen, daß diese Männerbewegung nicht wie der »Toronto-Segen« polarisieren, sondern eher die verschiedensten Evangelikalen und Charismatiker miteinander verbinden wird. Für uns — damit meine ich die sog. »Nichtcharismatiker« — wird es immer schwieriger werden, inmitten dieser Bewegungen und Veränderungen einen kühlen Kopf und ein warmes Herz zu bewahren.
»Wachet, steht fest im Glauben; seid mannhaft, seid stark! Alles bei euch geschehe in Liebe.« (1. Kor. 16,13-14)
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